Vom »Drehen und Wenden« …

… oder »Ist das noch Musik?«

Finissage mit Konzert zur Ausstellung und zum Projekt »Musikalische Grafik und grafische Notation« [zur Ausstellung]

Am Sonntag, den 30. Oktober 2016 erlebten die zahlreichen Gäste einen besonderen Konzertnachmittag in der art Kapella Schkeuditz. Es war eine musikalische Reise durch Abschnitte der Moderne in der Musik des 20. Jahrhunderts unter der Leitung des Komponisten und Klaviervirtuosen Steffen Schleiermacher. Stücke von Earle Brown, Sylvano Bussotti, Knut Müller und John Cage kamen zur Aufführung und Schleiermacher lieferte das passende Hintergrundwissen dazu. Es war eine konzertante Veranstaltung zur Finissage der Ausstellung und des Projektes „Musikalische Grafik und grafische Notation“. In der Ausstellung und den Konzerten hörten und sahen wir, wie Bilder zu Musik werden und Musik zu Bildern wird, wie künstlerische Grafik die Notation von Musik erweitert und wie Musik neue Bildende Kunst inspiriert. Die Ausstellung präsentierte Grafiken und Bilder von Kristina Heinrichs, Knut Müller, Linda Schwarz, Gabriele Sperlich, Frank Tangermann und Susanne Werdin. Die Installation von Erwin Staches „Partitur der Berge“ und die von Wolfgang Heisig entwickelte Klangskulptur „Drehen und Wenden“ waren für das Publikum ein besonders Klangerlebnis in der Ausstellung, die an diesem Sonntagnachmittag zu Ende ging.

Steffen Schleiermacher streicht virtuos über die Saiten des Flügels.
Steffen Schleiermacher streicht virtuos über die Saiten des Flügels.

Nach dem der Kurator Knut Müller einführende Worte zum Anliegen und zur Idee des Projektes vermittelte und den Unterstützern wie der Kulturstiftung des Freistaates, der Stadt Schkeuditz oder dem Kulturraum Leipziger Land dankte, spielte Steffen Schleiermacher mit nur wenigen Anschlägen auf dem Flügel ein Stück von Earle Brown, stand auf und sagte: „Ist das noch Musik? Was kann man hier noch verstehen?“ Er begann Papierbögen nacheinander hochzuhalten, auf denen man grafische Zeichen ausmachen konnte. Auf dem einen ist eine streng geometrisch-grafische Notation zum Stück „Dezember 1952“ des US-Amerikaners Earle Brown zu sehen. Dessen Idee von der „offenen Form“ war für viele Komponisten wie Karlheinz Stockhausen Ideengeber und diese Notation selbst wurde zum meistgespielten Orchesterwerk des Komponisten. Schleiermacher führt weiter aus, dass es darum ginge, das sich hier die Musiker frei entscheiden können wie sie das Stück spielen werden. „Damit bewegt man sich in einem Grenzbereich zwischen Komposition, Improvisation und Anregung. Wahrscheinlich haben bei einer grafischen Notation die KomponistInnen eine ungefähre Vorstellung davon wie es klingen sollte und dennoch wollten sie es nicht festlegen.“

Im Verlauf des konzertanten Vortrags erklärt Steffen Schleiermacher, in seiner humorvollen, mitunter selbstironischen Art und Weise, die fließenden Grenzen zwischen Grafiken und grafischen Notationen, zwischen Experimenten und genauen Anleitungen, die dennoch die musikalischen Ergebnisse unerwartet offenlassen. Ein weiteres anschauliches Beispiel war die genaue Gebrauchsanweisung zu einem Werk von John Cage mit dem Titel „Variations I“ aus dem Jahr 1958. Und trotz dieser scheinbaren Genauigkeit lässt sich nicht voraussagen wie es klingen wird. „Es war ein großes Experimentierfeld, vor allem in den 50er und 60er Jahren und ist ein zeitlich begrenztes Experimentierfeld des 20. Jahrhunderts. Heute gibt es kaum noch Komponisten, die sich mit der grafischen Notation beschäftigen. Einer davon ist Knut Müller, der einerseits der Initiator und Kurator des Projektes war, und andererseits die grafischen Notationen von Kristina Heinrichs musikalisierte und in Begleitung von Schleiermacher am Klavier zur Aufführung brachte. Das Publikum honorierte diese künstlerische Leistung an diesem Nachmittag mit einem starken Applaus. Was wiederum Schleiermacher zu einer Art freiwilligen Aufforderung zum Gehen inspirierte und ein endloses Stück von Morton Feldman als Zugabe spielte.

Petra Kießling

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